Die Norm ISO 9001 ist die international bekannteste und am weitesten verbreitete Qualitätsmanagement-Norm. Ursprünglich aus der Industrie stammend, gewinnt sie zunehmend auch im Gesundheitswesen an Bedeutung. Hat es für radiologische Praxen Vorteile, sich nach ISO 9001 zertifizieren zu lassen? Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein und wie läuft die Zertifizierung ganz praktisch ab? Antworten auf diese und weitere Fragen liefert der vorliegende Artikel.

Was ist die ISO 9001-Norm?

Bei der ISO 9001 handelt es sich um eine weltweit anerkannte Qualitätsmanagement-Norm der International Organization for Standardization (ISO). Ihre aktuelle Fassung ist die ISO 9001:2015. Die Norm definiert branchenübergreifende Mindeststandards für Qualitätsmanagement-Systeme von Unternehmen und anderen Organisationen. Im Kern geht es dabei um die laufende Optimierung von Prozessen, um Kundenanforderungen zu erfüllen und die Leistungen des Unternehmens kontinuierlich zu verbessern. Die Einhaltung der Norm können sich Unternehmen durch eine Zertifizierung bestätigen lassen.

Brauchen radiologische Praxen und Abteilungen eine Zertifizierung?

In Deutschland sind medizinische Leistungserbringer wie Arztpraxen oder Krankenhäuser nach dem Sozialgesetzbuch (SGB V § 135a) verpflichtet, ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement-System einzuführen und weiterzuentwickeln. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) definiert in seiner Qualitätsmanagement-Richtlinie allgemeine Vorgaben dafür. Jedoch schreibt der Gesetzgeber weder konkrete Qualitätsmanagement-Normen vor, noch verlangt er eine Zertifizierung durch unabhängige Prüfstellen. Die Implementierung der Norm ISO 9001 bleibt somit freiwillig.

In der Radiologie gelten verschärfte Qualitätsmanagement-Bestimmungen, weil darüber hinaus auch Vorgaben zum Strahlenschutz zu beachten sind. Nach dem Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) und der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) ist die Erfassung und Dokumentation der Strahlendosis bei einem Großteil der Anwendungen verpflichtend. Außerdem verlangt die StrlSchV die Erstellung schriftlicher Arbeitsanweisungen für alle Verfahren in der Radiologie. Damit erfüllen radiologische Praxen einen Teil der Vorgaben der ISO 9001 im Bereich ihrer Kernprozesse bereits automatisch.

Auch den meisten anderen Ländern ist die Erfüllung bestimmter Qualitätsstandards in der Regel Voraussetzung, damit Gesundheitseinrichtungen PatientInnen aus der medizinischen Grundversorgung behandeln können. Dabei gibt es spezifische Vorgaben für die bildgebende Diagnostik. In den USA können sich Gesundheitseinrichtungen beispielsweise entweder durch staatliche Behörden kontrollieren lassen oder ein staatlich anerkanntes Zertifikat vorweisen. Traditionell lässt sich ein Großteil der Gesundheitseinrichtungen dort durch die Non-Profit-Organisation Joint Commission on Accreditation of Healthcare Organizations (JCAHO) zertifizieren. Je nach Bundesstaat können zusätzliche gesetzliche Vorgaben zu erfüllen sein.

Welche alternativen Möglichkeiten der Zertifizierung gibt es?

Die ISO 9001 ist weit verbreitet, doch es gibt auch alternative Qualitätsmanagement-Zertifikate, von denen einige speziell auf den Gesundheitsbereich ausgelegt sind. Im DACH-Raum sind etwa diese Zertifikate verbreitet:

  • QEP-Zertifikat (Qualität und Entwicklung in Praxen) der Kassenärztlichen Vereinigung (KV)
  • EFQM-Zertifikat (European Foundation for Quality Management)
  • EPA-Zertifikat (Europäisches Praxisassessment), vergeben durch den Verein „Stiftung Praxissiegel e.V.“

Das QEP-Zertifikat und das EPA-Zertifikat richten sich spezifisch an Gesundheitseinrichtungen und definieren im Vergleich zur ISO 9001 konkretere Vorgaben an das Qualitätsmanagement. Weltweit anerkannt sind diese Zertifikate allerdings nicht.

Warum ist eine Zertifizierung nach ISO 9001 für radiologische Praxen sinnvoll?

Dennoch setzt sich die ISO 9001-Zertifizierung im Gesundheitsbereich immer mehr durch. Aufgrund ihres internationalen Charakters ist die Norm sehr verbindlich und macht medizinische Einrichtungen überregional vergleichbar. Zu den allgemeinen Vorteilen einer Qualitätsmanagement-Zertifizierung nach ISO 9001 zählen:

  • Erfüllung gesetzlicher Vorgaben: Die Einführung grundlegender Qualitätsmanagement-Standards ist für Gesundheitseinrichtungen gesetzlich vorgeschrieben. Eine mustergültige Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben minimiert nicht zuletzt auch Haftungs- und Regressrisiken.
  • Ökonomische Vorteile: Die Vorgaben der ISO 9001 beschränken sich nicht auf die Kernprozesse in der Radiologie, sondern beziehen auch Aspekte wie Personalmanagement, Einkauf und Beschaffung mit ein. Durch eine Optimierung aller dieser Prozesse und Abläufe werden vorhandene Ressourcen effizienter genutzt. Medizinische Einrichtungen können so Kosten reduzieren, Umsätze ankurbeln und ihre Wettbewerbsfähigkeit insgesamt stärken.
  • Verbesserung der medizinischen Qualität: Medizinische Fehler in Arztpraxen oder Kliniken gehen häufig auf organisatorische Mängel zurück. Durch ein lückenloses Qualitätsmanagement lassen sich typische Fehlerquellen wie Dokumentationsfehler oder das Vertauschen von Patientendaten weitgehend vermeiden.

So läuft die Zertifizierung nach ISO 9001 ab

Was ist nun konkret zu tun, wenn sich eine radiologische Praxis oder Abteilung für eine Zertifizierung nach ISO 9001 entschieden hat?

Schritt 1: Auswahl einer Zertifizierungsstelle

Es gibt eine Reihe verschiedener Zertifizierungsgesellschaften, die sich auf die Vergabe von ISO-Zertifikaten spezialisiert haben. Bei der Auswahl sollten PraxisinhaberInnen darauf achten, dass die Stelle staatlich akkreditiert ist – denn nur dann wird das Zertifikat von staatlichen Behörden und anderen Stakeholdern anerkannt. Bevor die Zertifizierungsstelle ein konkretes Angebot vorlegt, wird sie erste wichtige Informationen über die Praxis oder das Unternehmen einholen. Erst danach kommt es zum verbindlichen Vertragsabschluss.

Schritt 2: Interne Vorbereitung der ISO 9001-Zertifizierung

Die interne Vorbereitung auf die Zertifizierung ist die meist aufwendigste Phase im gesamten Prozess. Denn vor dem eigentlichen Zertifizierungsaudit muss das Qualitätsmanagement-System nach ISO 9001 vollständig implementiert sein.

Im Kern zielt das Qualitätsmanagement nach ISO 9001 auf eine kontinuierliche Verbesserung aller internen Prozesse ab. Zur Vorbereitung auf die Zertifizierung sind daher u.a. folgende Schritte erforderlich:

  • die Definition und schriftliche Dokumentation sämtlicher Prozesse in der Praxis: von der Terminvergabe über Untersuchungs- und Behandlungsabläufe bis hin zum Personal- und Ressourcenmanagement
  • die Erstellung eines umfassenden Qualitätshandbuchs, das konkrete Qualitätsziele und Maßnahmen zu deren Umsetzung enthält
  • die Durchführung von Umfragen unter Stakeholdern wie Mitarbeitenden, PatientInnen und Zuweisern, um deren Zufriedenheit mit dem Unternehmen zu ermitteln
  • die Implementierung eines Nonkonformitäts- oder Fehlermanagement-Systems, um Maßnahmen zum Umgang mit Fehlern zu definieren

Hintergrund aller dieser Maßnahmen ist der Plan-Do-Check-Act-Zyklus (PDCA-Zyklus) nach William Edwards Deming: Man definiert zunächst konkrete Ziele, führt die entsprechenden Prozesse aus und misst den Erfolg anhand von Kennzahlen. Daraus leiten sich anschließend neue Ziele und neue Prozesse ab.

Schritt 3: Voraudit

Bei einem Voraudit handelt es sich um eine freiwillige Vorab-Prüfung, um festzustellen, inwiefern die Vorgaben der ISO 9001-Norm bereits erfüllt sind. Bestehen noch Schwachstellen oder eventuelle Lücken in der Dokumentation, wird der Auditor konkrete Verbesserungsvorschläge machen. Das Voraudit ist sehr sinnvoll, um böse Überraschungen beim eigentlichen Zertifizierungsaudit zu vermeiden.

Schritt 4: Zertifizierungsaudit

Das Zertifizierungsaudit für das ISO 9001-Zertifikat selbst setzt sich meist aus zwei Teilen zusammen: Beim ersten Termin wird der Auditor vor Ort sämtliche Qualitätsmanagement-Dokumente auf Vollständigkeit und Plausibilität überprüfen. Falls erforderlich, können Unterlagen nachgereicht werden. Der zweite Termin schließt eine ausführliche Praxisbegehung sowie Mitarbeiterbefragungen ein und kann je nach Praxisgröße vier bis acht Stunden in Anspruch nehmen.

Schritt 5: Verleihung des ISO 9001-Zertifikats

Nach dem Zertifizierungsaudit wird der Auditor einen ausführlichen Bericht erstellen. Sind alle Vorgaben der ISO 9001 erfüllt, findet ein Abschlussgespräch statt und die Praxis erhält ihre Zertifizierungsurkunde.

Schritt 6: Überwachungsaudits

Das ISO 9001-Zertifikat ist drei Jahre gültig, wobei die Konformität durch jährliche Überwachungsaudits überprüft wird. Diese Überwachungsaudits bestehen in stichprobenartigen Kontrollen und sind weniger umfangreich als das Zertifizierungsaudit.

5 Tipps für die Zertifizierung einer radiologischen Praxis

1. Ausreichend zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen für die Zertifizierung nach ISO 9001 einplanen

Eine Zertifizierung nach ISO 9001 lässt sich nicht einfach nebenbei erledigen. Gerade die erstmalige Einführung eines Qualitätsmanagement-Systems verursacht oft einen hohen Aufwand, weil sämtliche Prozesse erfasst werden müssen und ein detailliertes Qualitätshandbuch zu erstellen ist. Erfahrungsgemäß kann die Vorbereitung auf die Zertifizierung einige Monate bis hin zu einem Jahr in Anspruch nehmen. PraxisinhaberInnen sollten vorab unbedingt auch die direkten und indirekten Kosten für die Zertifizierung sowie die Mehrarbeit des Personals kalkulieren.

2. Alle MitarbeiterInnen ins Boot holen

In der Regel wird ein Qualitätsmanagement-Beauftragter bzw. ein Kern-Team ernannt, das für die Zertifizierung verantwortlich ist und den gesamten Prozess koordiniert. Trotzdem ist es wichtig, das gesamte Personal mit einzubeziehen und über den Projektfortschritt am Laufenden zu halten. Eine intensive Kommunikation und Einschulung kann MitarbeiterInnen außerdem Ängste vor dem ISO 9001-Zertifizierungsaudit nehmen.

3. Sinnvolle Qualitätsziele festlegen

Um im Rahmen des Qualitätsmanagement-Zyklus Ziele festzulegen und Ergebnisse messen zu können, braucht es auch für die Zertifizierung nach ISO 9001 konkrete Kennzahlen. Geeignete Qualitätsindikatoren für radiologische Praxen sind z.B.:

  • im Bereich der Kernprozesse:
    • Fehler- und Wiederholungsraten
    • Materialverbrauch pro Untersuchung
    • Wartezeiten von PatientInnen vor und während der Diagnostik
  • im Bereich Servicequalität:
    • Bewertungen von PatientInnen
    • Anzahl von Beschwerden
    • Benotungen von PatientInnen (durch Umfragen ermittelt)
    • Benotungen von Zuweisern (durch Umfragen ermittelt)
  • im Bereich Personalmanagement:
    • Anzahl von Fehltagen
    • Anzahl absolvierter Fortbildungen
    • Personal-Fluktuation (Anzahl von Kündigungen)
  • allgemeine betriebswirtschaftliche Kennzahlen:
    • Auslastungsquote von Geräten
    • Veränderung der Umsätze im Vergleich zum Vorjahr
    • Umsatzrentabilität

Welche konkreten Qualitätsziele und -indikatoren sinnvoll sind, richtet sich natürlich auch nach individuellen Gesichtspunkten wie der Größe und Spezialisierung der radiologischen Praxis.

4. Definition von KundInnen breit fassen

Ein wesentlicher Eckpfeiler der ISO 9001 ist die konsequente Kundenorientierung bei allen Prozessen und Vorgängen im Unternehmen. Zu den „KundInnen“ einer radiologischen Praxis zählen im weitesten Sinn nicht nur PatientInnen, sondern alle Einrichtungen oder Stakeholder, mit denen die Praxis zu tun hat – beispielsweise Zuweiser, Kostenträger oder staatliche Behörden. Es kann sinnvoll sein, auch von diesen Stakeholdern Feedback einzuholen.

5. Regelmäßig interne Audits abhalten

Zu den Kernforderungen der ISO 9001 zählt die stetige Verbesserung und Optimierung von Prozessen. Es reicht daher nicht, sich auf dem einmal erworbenen Zertifikat auszuruhen. In vielen radiologischen Praxen hat es sich bewährt, regelmäßig interne Audits abzuhalten, bei denen an konkreten Problemen oder Herausforderungen gearbeitet wird.

Zertifizierung nach ISO 9001 kann Wettbewerbsfähigkeit stärken

Gerade in der Radiologie ist ein hoher Qualitätsanspruch wichtiger denn je. Eine Zertifizierung nach der ISO 9001-Norm ist zwar mit einem erhöhten Aufwand in der Implementierungsphase verbunden. Langfristig hilft ein effektives Qualitätsmanagement aber, Arbeitsabläufe zu optimieren und damit neben der medizinischen Qualität auch den wirtschaftlichen Erfolg der radiologischen Praxis oder Abteilung zu stärken.