Hat sich eine Brustkrebsdiagnose bestätigt, so stehen behandelnde ÄrztInnen vor großen Herausforderungen: Sie müssen in einer emotional belastenden Situation feinfühlig auf Patientinnen eingehen, zugleich ihren Aufklärungspflichten nachkommen und gemeinsam mit KollegInnen eine leitliniengerechte Behandlung sicherstellen. Fehler in der Brustkrebsdiagnose und -behandlung können nicht nur schwerwiegende medizinische, sondern mitunter auch juristische Konsequenzen nach sich ziehen.

Was versteht man unter Brustkrebs?

Brustkrebs oder Mammakarzinom ist ein Sammelbegriff für bösartige (maligne) Tumoren der Brust. Die häufigste Form ist das duktale (von den Zellen der Milchgänge ausgehende) Mammakarzinom, gefolgt vom lobulären (von Drüsenlappen ausgehenden) Mammakarzinom. Darüber hinaus gibt es eine große Vielfalt an Misch- und Sonderformen. Eine Frühform und mögliche Vorstufe stellt das duktale Karzinom in situ (DCIS) dar: Bei DCIS sind die natürlichen Gewebegrenzen noch nicht überschritten, obwohl die Zellen bereits maligne Eigenschaften haben.

Wie wird eine Brustkrebsdiagnose gestellt?

Diagnostische Verfahren und Methoden

Zur Früherkennung von Brustkrebs und zur Abklärung von Symptomen oder verdächtigen Befunden steht heute ein großes Arsenal diagnostischer Möglichkeiten zur Verfügung. Die wichtigsten Methoden sind:

  • Palpation: Das Abtasten von Brust und Achselhöhlen inklusive Inspektion von Haut und Brustwarzen zählt zu den Basisuntersuchungen, um erste Hinweise auf mögliche gut- oder bösartige Veränderungen zu gewinnen.
  • Mammographie: Die zentrale Untersuchung zur Früherkennung von Brustkrebs und zur Abklärung eines Brustkrebs-Verdachts ist die Mammographie. Zur Befund-Kategorisierung hat sich international das BIRADS-System (Breast Imaging Reporting and Data System) mit den Stufen I – VI etabliert. Die BIRADS-Klassifikation gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Veränderung bösartig ist, und gibt auf dieser Basis Empfehlungen zur weiteren Vorgangsweise.
  • Sonographie: Ultraschall-Untersuchungen können die Mammographie nicht ersetzen, sind aber als Basisdiagnostik bei jungen Frauen, bei dichtem Brustgewebe oder zur weiteren Abklärung unklarer Befunde sinnvoll.
  • Magnetresonanz- bzw. Kernspintomographie (MRT): Bei unklaren Mammographie- und / oder Sonographie-Befunden kann eine ergänzende MRT-Untersuchung mithilfe von Kontrastmittel veranlasst werden.
  • Biopsie: Ab BIRADS-Stufe IV sollte zur weiteren Abklärung und Diagnosesicherung eine Gewebeprobe entnommen werden. In der Regel sind minimal-invasive Verfahren (Stanz- oder Vakuum-Biopsie) ausreichend. Erst die histologische Überprüfung erlaubt eine sichere Brustkrebsdiagnose. Die Bestimmung biochemischer und molekularbiologischer Tumormerkmale ist darüber hinaus für die weitere Therapieplanung wichtig.

Nach der Brustkrebsdiagnose: Bestimmung des Tumorstadiums

Nachdem die Brustkrebsdiagnose feingeweblich gesichert und der Tumor anatomisch lokalisiert ist, gilt es im nächsten Schritt das Tumorstadium zu bestimmen. International hat sich das sogenannte TNM-System etabliert, das drei zentrale Eigenschaften des Tumors abbildet:

  • T beschreibt Größe und Ausbreitung des Primärtumors. Die Skala reicht von T1 bis T4, nicht invasive Vorformen wie DCIS werden als Tis (Tumor in situ) klassifiziert.
  • N bezieht sich auf den Befall von Lymphknoten (Nodi). Hier reicht die Skala von N0 (kein Lymphknoten-Befall) bis N3.
  • M steht für das Fehlen (M0) oder das Vorhandensein (M1) von Fernmetastasen.

Zusätze wie c (clinical) oder p (pathological) beschreiben die Methode, durch die der Tumor klassifiziert wurde.

Wie wird Brustkrebs behandelt?

Nach einer gesicherten Brustkrebsdiagnose hängt die Therapieentscheidung von mehreren Faktoren ab: Neben Art, Stadium und Eigenschaften des Tumors sind unter anderem Alter, Allgemeinzustand und persönliche Wünsche der Patientin zu berücksichtigen. Bewährt hat sich die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener ExpertInnen im Rahmen sogenannter Tumorboards, um die Behandlung zu optimieren und zu koordinieren.

Grundsätzlich beruht die Brustkrebstherapie auf diesen Säulen:

  • Operationen zur Entfernung des Tumors lassen sich heute häufig brusterhaltend durchführen. In einigen Fällen ist jedoch eine Abnahme der Brust (Mastektomie) nicht zu vermeiden.
  • Die Strahlentherapie kommt häufig adjuvant nach Operationen zum Einsatz, um Rezidiven vorzubeugen. Im Rahmen palliativer Therapien oder beim Vorliegen von Knochenmetastasen soll sie das Tumorwachstum hemmen und Symptome lindern.
  • Chemotherapien können als adjuvante bzw. neo-adjuvante Behandlungen je nach Krebstyp sinnvoll sein. Adjuvant bedeutet, dass die Chemotherapie nach der Operation durchgeführt wird, um einem Rezidiv vorzubeugen. Wohingegen die neo-adjuvante Therapie den Tumor vor der Operation verkleinern soll, damit die Operation schonender und mit größeren Erfolgschancen durchgeführt werden kann.
  • Anti-Hormontherapien werden adjuvant bei hormonempfindlichen Tumoren eingesetzt.
  • Immuntherapien haben sich bei bestimmten (nicht hormonempfindlichen) Krebstypen als adjuvante oder neo-adjuvante Behandlung etabliert.

Welche Fehler sind in der Brustkrebsdiagnose zu vermeiden?

Ärztliche Fehler in der Brustkrebsdiagnose können drastische Folgen haben, nicht nur in medizinischer Hinsicht. Wenn Patientinnen aufgrund eines Diagnose- oder Behandlungsfehlers Schaden erleiden, drohen auch juristische Konsequenzen.

RadiologInnen sind hier besonders gefährdet: Einer retrospektiven Studie zufolge richten sich Klagen aufgrund von Behandlungsfehlern bei Brustkrebs in den USA mit 43 % am häufigsten gegen RadiologInnen, gefolgt von ChirurgInnen (27 %) und GynäkologInnen (26 %).

Folgende Fehler können im Rahmen der Brustkrebsdiagnose und -behandlung passieren:

Mangelhafte Patientenaufklärung

PatientInnen haben das Recht auf umfassende Aufklärung über alle Aspekte ihrer Diagnose, Prognose und Therapie. Vor jedem Behandlungsschritt – insbesondere vor invasiven Eingriffen – müssen ÄrztInnen daher in verständlichen Worten Erfolgsaussichten sowie mögliche Risiken oder Nebenwirkungen mit der Patientin besprechen. Auch Behandlungsalternativen müssen aufgezeigt werden. Ziel ist es, der Patientin eine selbstbestimmte und informierte Entscheidung zu ermöglichen.

Diese Aufklärung muss mündlich erfolgen, schriftliche Unterlagen dürfen nur ergänzend zum Einsatz kommen. Zudem muss die Aufklärung zeitgerecht vor einer möglichen Behandlung oder einem Eingriff stattfinden, um der Patientin eine ausreichende Bedenkzeit zu geben.

Es gibt nur zwei Ausnahmegründe, wann eine Aufklärung nicht notwendig ist:

  • Es liegt ein medizinischer Notfall vor und die Behandlung ist unaufschiebbar. Dann muss aber zumindest nach der Behandlung ein Aufklärungsgespräch stattfinden, sobald das wieder möglich ist.
  • Das Aufklärungsgespräch kann auch entfallen, wenn Patientinnen ausdrücklich keine Information wünschen. Um spätere Probleme zu vermeiden, ist diese Entscheidung unbedingt schriftlich zu dokumentieren.

Behandlungsfehler

Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn die ärztliche Behandlung nicht den zum jeweiligen Zeitpunkt aktuellen fachlich-medizinischen Standards entspricht. Der Begriff bezieht sich nicht nur auf die Behandlung im engeren Sinn, sondern auch auf den Diagnoseprozess.

In einer retrospektiven Studie aus den Niederlanden wurden die Gründe für eine verspätete Brustkrebs-Diagnose im Rahmen der Brustkrebs-Früherkennung analysiert. Die häufigste Ursache auf Prozessebene war eine inkorrekte BIRADS-Klassifikation des Mammographie-Befunds.

Behandlungsfehler können entlang des gesamten Früherkennungs-, Diagnose- und Behandlungsprozesses passieren. Zu möglichen Behandlungsfehlern im Rahmen von Früherkennung und Diagnostik zählen u.a.:

  • anpruchsberechtigten Frauen das Brustkrebs-Screening nicht zu empfehlen
  • im Rahmen der Früherkennung keine Familienanamnese bezüglich Brustkrebs und assoziierter Tumoren zu erheben
  • Frauen mit bekannten Risikofaktoren (z.B. Brustkrebs-Fälle in der Familien) keine Risikoberatung anzubieten
  • keine Abklärung von Symptomen bei sehr jungen, alten, schwangeren oder stillenden Patientinnen
  • Verzicht auf eine diagnostische Abklärung bei verdächtigen Symptomen wie Lymphknoten-Schwellungen, eingezogenen Brustwarzen, Hautveränderungen oder Veränderungen von Form und Größe einer Brust
  • Verzicht auf eine weiterführende Diagnostik, wenn auffällige Tastbefunde, aber ein unauffälliges Mammogramm vorliegen
  • Verzicht auf eine weiterführende Diagnostik, wenn ein auffälliges Mammogramm, aber unauffällige Tastbefunde und / oder Ultraschall-Befunde vorliegen
  • technische Mängel bei der Erstellung von Mammographie-Aufnahmen
  • keine weiterführende Diagnostik (Ultraschall, ev. MRT) bei schwer zu interpretierenden Mammographie-Aufnahmen, etwa aufgrund von dichtem Brustgewebe
  • fehlerhafte Probenentnahme bei Biopsien
  • fehlerhafte Befundung der bei der Biopsie entnommenen Gewebeprobe

Fallbeispiele für grobe Behandlungsfehler

Grobe Behandlungsfehler können auch juristische Konsequenzen haben:

So hat das Oberlandesgericht Hamm einer Patientin Recht gegeben, die ihre Gynäkologin aufgrund eines Befunderhebungsfehlers auf Schmerzensgeld verklagt hat. Die Gynäkologin hatte nach einem auffälligen Tastbefund zwar eine Mammographie angeordnet, die aber kein eindeutiges Ergebnis erbrachte. Sie riet der Patientin nicht zu einer zusätzlichen Stanzbiopsie, was nach Ansicht des Gerichts als Behandlungsfehler zu werten ist. (OLG Hamm, Urteil vom 12.10.2018, Az.: 26 U 172/17)

In einem weiteren, ähnlich gelagerten Fall stellte der behandelnde Gynäkologe durch eine Tastuntersuchung einen auffälligen Knoten in der rechten Brust und Achselhöhle fest. Er führte anschließend eine Sonographie durch und kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Knoten um eine harmlose Zyste handle. Zu einer Mammographie und Biopsie riet er der Patientin nicht. Es lag aber ein Mammakarzinom vor, an dem die Patientin später verstorben ist. Das OLG Hamm hat den Verzicht auf eine weiterführende Diagnostik als groben Behandlungsfehler gewertet. (Urteil vom 28.11.2001 – 3 U 59/01)

Einer jungen Brustkrebs-Patientin aus Pennsylvania wurden nach einer verspäteten Brustkrebsdiagnose 19,16 Mio. US-Dollar an Entschädigung zugesprochen. Die 22-jährige Frau hatte sich aufgrund eines verdächtigen Knotens in der Brust mehrfach an ihren Gynäkologen und ihre Krankenschwester (nurse practitioner) gewandt. Die Krankenschwester hielt den Knoten für harmlos und veranlasste keine Ultraschall-Untersuchung. Nach 9 Monaten wurde bei der jungen Frau Brustkrebs diagnostiziert, der zu diesem Zeitpunkt bereits in drei Lymphknoten metastasiert hatte.

Behandlungsfehler sind auch im Rahmen von Follow-Up-Untersuchungen möglich. Einer Brustkrebs-Patientin aus Maryland wurden aufgrund eines solchen Behandlungsfehlers kürzlich 2,4 Mio. US-Dollar zugesprochen. Bei der Patientin musste aufgrund eines triple-negativen Mammakarzinoms eine Mastektomie vorgenommen werden. Eine Woche nach der Operation wurde eine Mammographie zur Nachkontrolle durchgeführt. Dabei übersah der Radiologe, dass der Tumor- und Biopsie-Marker bei der Operation nicht ordnungsgemäß entfernt worden war. Erst 9 Monate später wurde der verbliebene Tumor durch eine Ultraschall-Untersuchung detektiert. Die Patientin musste sich einer neuerlichen Mastektomie und einer Strahlentherapie unterziehen.

Abraten von einer schulmedizinischen Behandlung nach Brustkrebsdiagnose

Selbstverständlich muss nicht nur die Brustkrebsdiagnose, sondern auch die Behandlung zu jedem Zeitpunkt den Standards evidenzbasierter Medizin entsprechen.

In einem aufsehenerregenden Fall aus Deutschland hat das Landgericht Kiel der Familie einer an Brustkrebs verstorbenen Patientin 40.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Die behandelnde Ärztin hatte der Patientin ausdrücklich von einer schulmedizinischen Behandlung abgeraten und den Krebs stattdessen mit alternativmedizinischen Methoden wie Schüsslersalzen, Vulkanerde und Basenfußbädern behandelt. Nach Ansicht des Gerichts hätte die Patientin mit einer evidenzbasierten Therapie überlebt. (Urteil vom 29.3.2019 – 8 O 190 / 16)

Das Abraten von einer schulmedizinischen Behandlung stellt in juristischer Hinsicht einen vorsätzlichen Verstoß gegen ärztliche Aufklärungspflichten dar, was einem groben Behandlungsfehler entspricht. Die Ärztin hätte der Patientin daher dringend – auch gegen deren Wunsch – zu einer evidenzbasierten Behandlung raten müssen und die „alternativmedizinischen“ Therapien allenfalls ergänzend einsetzen dürfen. Urteilsfähige PatientInnen haben zwar das Recht, eine medizinisch gebotene Therapie abzulehnen. ÄrztInnen müssen über die zu erwartenden Folgen aber detailliert aufklären und die Entscheidung der Patientin schriftlich dokumentieren.

Mangelhafte Dokumentation

Auch organisatorische Mängel wie eine fehlerhafte Dokumentation können zu Fehlern bei der Brustkrebsdiagnose führen. Wenn Patientinnen dadurch zu Schaden kommen, sind juristische Konsequenzen möglich.

So wurde einer Klägerin im Bundesstaat New York eine Abfindung von 2,3 Mio. US-Dollar zugesprochen, nachdem der behandelnde Radiologe ihren Brustkrebs erst mit einem Jahr Verspätung diagnostiziert hatte. Die 50-jährige Klägerin nahm im Jahr 2010 eine Mammographie zur Brustkrebs-Früherkennung in Anspruch, die vom Radiologen als unauffällig befundet wurde. Bei der Mammographie im darauffolgenden Jahr stellte der Radiologe einen auffälligen Knoten fest. Er bemerkte außerdem, dass bei der Mammographie im Vorjahr ein Transkriptionsfehler passiert war: Bereits 2010 war eine Auffälligkeit vorhanden, die er zwar diktiert hatte, die im Befund aber nicht aufschien. Dadurch wurde der Krebs erst mit einem Jahr Verspätung im Stadium IIB diagnostiziert. Es musste eine beidseitige Mastektomie vorgenommen werden, die durch eine rechtzeitige Diagnose hätte vermieden werden können.

Nach Brustkrebsdiagnose: Aktuelle Leitlinien und Patientenrechte beachten

ÄrztInnen haben bei der Brustkrebsdiagnose besondere Sorgfaltspflichten. Allein schon, um sich vor Schadenersatzforderungen und anderen juristischen Konsequenzen zu schützen, sollten Diagnostik und Therapie unbedingt in Übereinstimmung mit den aktuellen Leitlinien von Fachgesellschaften wie ESMO (European Society for Medical Oncology) oder NCCN (National Comprehensive Cancer Network) erfolgen.